Saturday, September 22, 2012

Investitionen in eine Sprache (D)

Eine Sprache zu lernen kostet Zeit, viel Zeit. Zeit um die heutzutage von vielen "social media" und anderen aufmerksamkeitsheischenden und zerstreuenden Institutionen mit aller Macht gerungen wird.
Aber es gibt natürlich noch den sprachlichen Automatismus: Nicht ich spreche eine Sprache, sondern die Sprache spricht mich. Da Menschen soziale Tiere sind benutzen sie quasi automatisch eine (oder mehrere) Sprachen um mit ihrer Umgebung zu kommunizieren. Diese Umgebungssprache lernt und übt sich quasi von selbst. Unter Umgebung ist allerdings weniger eine räumliche Umgebung gemeint, vielmehr geht es um die umgebenden Menschen, die Gruppe in der man ist. Es ist durch die modernen Medien relativ einfach geworden die Gruppen mitzunehmen. Auch wenn man auf Reisen ist, kann man Kontakte zu "seiner" Gruppe pflegen und damit auch "seine" Sprache üben.
Das sind alles KEINE Investionen! Investionen beginnen damit gegen diesen Automatismus zu handeln. Am Anfang steht eine (mehr oder weniger bewußte) Entscheidung für eine bestimmte Sprache. Dann geht es darum diese Investition in vielen kleinen mühsamen Trippelschritten immer wieder zu erneuern. Mein Bespiel mit Japanisch. Die erste Investition kam nach der Entscheidung für die Sprache: ein wöchenlicher Sprachkurs. Der freundschaftliche Kontakt zu der Lehrerin der eher gegen Ende des Kurses zustande kam, ist keine bewusste Investition nach meiner Definition, es ging mir dabei weniger um die Sprache, schließlich benutzten wir beide Deutsch um uns miteinander zu verständigen. Als dann nach dem Kurs meine Lehrerin meine Freundin wurde, war dies auch keine Investition, auch hier ging es nicht um die Sprache. Wir fingen dann allerdings an gemeinsam Japanisch zu üben, was nicht nur für mich eine Investition in die Sprache war. Weitere Sprachkurse (d.h. weitere zeitliche und finanzielle Investitionen) in Deutschland und Japan folgten. Nach meinem Umzug nach Japan waren viele Personen froh mit mir Deutsch sprechen zu können: Meine Kollegen und auch meine Frau wollten mit mir auch in Japan Deutsch sprechen. Deutsch musste (und muss) ich weiter benutzen, schließlich bin ich Deutschlehrer und meine Lerner haben das Recht darauf mit mir in Deutsch zu sprechen.
Meine Investionen bestanden in einem weiteren Sprachkurs, einem Einzelunterricht. Ich hätte keinen Lehrenden akzeptiert, der versucht hätte auf Deutsch Japanisch zu lehren. Aus meiner Lehrerin wurde eine Freundin (zusammen waren wir aber nie). Auch andere Japanerinnen waren meine Sprachpartnerinnen, mänliche japanische Sprachpartner hatte ich eingentlich nie. Mit meiner Ex-Frau benutze ich weiterhin Deutsch, mit meiner Freundin (sie hat den Wort "Verlobte" lieber!) spreche ich nun Japanisch. Was das Sprechen und hören anbelangt, so sind nur noch bedingt Investitionen in die Sprache nötig, aber wenn ich (besser) japanische Fachsprache benutzen will, so werde ich bis zum Ende meiner Tage in die Sprache investieren müssen, glaube ich.
Allerdings gibt es Investitionen, die sich auszahlen, manchmal sogar in einer kaum messbaren, ja  nicht einmal in Worte beschreibbaren Weise. Dadurch, dass ich angefangen habe Japanisch zu lernen habe ich meinen geistigen Horizont in einem vorher kaum möglich gehaltenen Umfang erweitert, ich habe eine feste Stelle (als a.o. Professor), die ich ohne Japanisch nicht bekommen hätte und ohne Japanisch hätte meine Freundin wohl nie kennen gelernt. Die Investionen haben sich also mehr als gelohnt und es lohnt sich auch weiter zu lernen. Auch wenn ich deshalb z.B. hier weniger posten kann: Es lohnt sich mit den Beschränkungen der Sprache umzugehen. Und jetzt muss ich weiter lernen......